Ausdruck vom 14.12.2024
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Von Dr. jur. Andreas Sautter, Rechtsanwalt
Werktitel stellen neben den Marken und Unternehmenskennzeichen eine gleichberechtigte dritte Kategorie eines geschützten Kennzeichens dar. Neben einer Marke wie „ARIEL” und einem Unternehmen wie „Siemens” kennen wir alle Werknamen wie „Der Spiegel”, „Let it be”, „Lindenstraße”, „Greg´s Tagebuch” — oder auch „PowerPoint”.
Der Schutz von Werktiteln ist eine deutsche Besonderheit. Der im ehemaligen § 16 I UWG gewährte Schutz von Druckschriften wurde bereits früher von der Rechtsprechung auch auf Bühnen-, Film- und Tonwerke etc. ausgeweitet. Seit 1995 ist der Schutz von Werktiteln in den §§ 5 und 15 MarkenG gesetzlich verankert worden.
Schutzgegenstand des Werktitels sind Druckschriften, Filmwerke, Tonwerke, Bühnenwerke oder sonstige vergleichbare Werke (§ 5 Abs. 3 MarkenG). Im Einzelnen:
Druckschriften
Hierunter fallen alle Erzeugnisse der Druckerpresse einschließlich Untertitel, Kolumnen, Beilagen, selbst Warenkataloge.
Filmwerke
Neben klassischen Filmwerken sind auch Titel von Fernsehprogrammen geschützt.
Ton- und Bühnenwerke
Neben der Fixierung auf Tonträgern ist auch schon die akustische Wiedergabe von Musik- und Sprachwerken als Tonwerk anzusehen. Geschützt sind sowohl die Titel des gesamten Werkes (z. B. „Schwanensee”) wie auch einzelne Bestandteile, wie z. B. eine spezielle Melodie oder Bewegungsfolge.
Sonstige
Hierzu gehören z. B. CD-ROMs und Spiele. Von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sind die Titel von Computer-Software (z. B. „Microsoft Word”).
Der Werktitel dient zur Unterscheidung eines Werks von anderen Werken. Er besitzt Individualisierungsfunktion; anders als bei einer Marke ist mit dem Titel aber kein betrieblicher Herkunftshinweis verbunden.
Grundsätzlich sind an die Unterscheidungskraft eines Werktitels die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei anderen Kennzeichen: Der Titel muss geeignet sein, das Werk von einem anderen zu unterscheiden. Anders als die Marke, die in erster Linie auf die betriebliche Herkunft hinweist, ist der Werktitel im Kern jedoch eher inhaltsbezogen. Dieser Erforderlichkeit, den Inhalt eines Werkes kurz und prägnant im Titel darzustellen, trägt die Rechtsprechung dadurch Rechnung, dass bei Werktiteln beschreibende Angaben großzügiger als bei Marken geschützt werden.
Nicht jeder Prüfer des Markenamtes hätte etwa die Großzügigkeit besessen, einer Anmeldung „Pizza & Pasta” (für ein Buch) Unterscheidungskraft zuzubilligen. Der BGH — und vor ihm das OLG Frankfurt — sahen den Titel als unterscheidungskräftig an. Aufgrund dieses großzügigeren Maßstabes besitzen auch Zeitschriften wie „Elektrotechnik”, „Mein Zuhause” oder „Micro-Chip” Titelschutz.
Ein kennzeichnungskräftiger Titel ist bereits mit Benutzungsaufnahme, also dem Erscheinen des Werkes (Buch, Zeitschrift, Film etc.) geschützt — ohne daß es einer Registrierung oder sonstigen Formalität bedarf.
Auch die in der Praxis häufige Anzeige im „Titelschutzanzeiger” oder einer anderen hierfür vorgesehenen Publikation führt als solche nicht zum Schutz des Titels. Entscheidend ist die tatsächliche Aufnahme der Benutzung des Titels in marktüblicher Weise.
Dennoch ist es im geschäftlichen Verkehr üblich geworden, bereits vor Benutzungsaufnahme eine Anzeige im „Titelschutzanzeiger” aufzugeben.
Hintergrund dafür ist, dass Zeitungen und Zeitschriften, aber auch andere Werke wie z. B. eine Fernsehreihe oder ein Spielfilm eine längere Vorlaufzeit benötigen. Dringt der Titel in der Zwischenzeit nach außen, könnte ihn ein anderer wegnehmen. Da somit ein Schutzbedürfnis des Titelinhabers schon in der Phase der Vorbereitung des Werkes besteht und umgekehrt auch Dritte ein Interesse besitzen, über Titel von erst in der Entstehung begriffenen Werken rechtzeitig informiert zu werden, kann ein Werktitelrecht bereits vorab durch die öffentliche Bekanntmachung in branchenüblicher Weise begründet werden.
Titelschutzanzeigen für Filme, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk, TV, Tonträger, Spiele, Software etc. können in den für Titelschutzanzeigen üblicherweise benutzten Medien veröffentlicht werden. Diese sind z. B. das „Titelschutz-Journal” sowie für Buchtitel das „Börsenblatt” des Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Wichtig ist, dass das Werk innerhalb angemessener Frist nach Schaltung der Titelschutz-Anzeige, in der Regel nach fünf bis sechs Monaten, auf den Markt kommt, also veröffentlicht wird. Ansonsten erlischt der Titelschutz und der Titel wird wieder frei.
Hervorzuheben ist hierbei nochmals, dass die Titelankündigung keinen ein Recht begründenden Akt darstellt wie die Registereintragung im Marken- und im Geschmacksmusterrecht. Durch die öffentliche (Vor-) Ankündigung der Titelbenutzung wird zugunsten des Ankündigenden lediglich der Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme — also die Priorität — auf einen Zeitpunkt bereits vor tatsächlichem Erscheinen vorverlegt. In jedem Fall jedoch muss der angekündigte Titel später fristgerecht tatsächlich benutzt werden, um den durch die Ankündigung erlangten Prioritätszeitpunkt zu behalten.
Die Schaltung einer Titelschutzanzeige kann allerdings für den Anmelder auch erhebliche Nachteile bringen: Diejenigen, die einen identischen oder verwechslungsfähigen Titel bereits rechtmäßig benutzen oder sonstige ältere Rechte haben, können mit Erscheinen der Titelschutzanzeige sogleich gegen den Anmelder Unterlassungsansprüche geltend machen, da durch die Anzeige zumindest eine Erstbegehungsgefahr begründet wird.
Die Anwaltskosten für die Reaktion des prioritätsälteren Benutzers auf eine Titelschutzanzeige sind hierbei in der Regel vom Ankündigenden zu ersetzen.
Das Risiko einer Abmahnung kann der Ankündigende oder neue Benutzer nur eingeschränkt begrenzen, da ihm im Gegensatz zum Markenrecht keine ausreichenden Recherchemöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Auch nach sorgfältiger Recherche im Archiv des „Titelschutzanzeiger” (www.titelschutzanzeiger.de), einer Markenrecherche in den besonders gefahrenträchtigen Klassen 05, 09, 16, 38, 41 und 42 sowie einer „allgemeinen Internet-Recherche” bleiben dem Benutzer eines neuen Werktitels erheblich größere Rechtsunsicherheiten als dem Benutzer einer neuen Marke.
Grundsätzlich ist ein Titel im gesamten Bundesgebiet geschützt. Ausnahmen vom bundesweiten Schutz bestehen allerdings bei lediglich regionaler oder lokaler Verbreitung (z. B. einer Zeitung oder Rundfunksendung) bzw. bei räumlich beschränkter Verkehrsgeltung.
Sachlich-inhaltlich ist der Schutzumfang eines Werktitels nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen wie bei anderen Kennzeichenrechten. Allerdings folgt aus den herabgesetzten Anforderungen an die Unterscheidungskraft (siehe 2), dass auch der Schutzumfang entsprechend geringer ist. Geringe Abweichungen können ausreichend sein. So hat die Rechtsprechung Verwechslungsfähigkeit zwischen „Oldtimermagazin” und „Oldtimerpraxis” verneint.
Anders als im Markenrecht bedarf der Titelschutz nicht einer formalen Verlängerung im Zehnjahresrhythmus. Der Titelschutz besteht fort solange der Titel benutzt wird und endet erst wenn der Titel nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegeben oder das Erscheinen des Werkes eingestellt wird.
Der Werktitel wird verletzt, wenn ein Dritter im geschäftlichen Verkehr dieselbe oder eine verwechslungsfähige Bezeichnung benutzt.
Die hieraus resultierenden Ansprüche des Berechtigten gegen den Verletzer sind inhaltsgleich mit den Ansprüchen des Markeninhabers gegen einen Verletzer. Es bestehen nebeneinander Ansprüche auf Unterlassung des verletzenden Gebrauchs (also ein Verkaufs-/Aufführungsverbot für das verletzte Werk), auf Schadensersatz, auf Vernichtung der verletzenden Werke sowie auf Auskunft über den Umfang des verletzenden Gebrauchs einschließlich Auskunft über Hersteller, Lieferanten und Abnehmer.
Der Werktitelschutz nach deutschem Recht besteht nur in Deutschland. Wird daher ein ausländischer Titel im Inland benutzt, gelten für ihn gleichermaßen die Regelungen des Titelschutzes nach deutschem Recht.
Wird ein deutscher Titel im Ausland verwendet, erlangt er nur nach den dortigen Rechtsvorschriften Kennzeichenschutz. Ein dem deutschen Recht sehr ähnlicher Werktitelschutz besteht im Ausland lediglich in Österreich. Ansonsten steht im Ausland lediglich der Markenschutz zur Verfügung: Soweit der Werktitel die Eintragungsvoraussetzungen für eine Marke erfüllt, kann er in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Gemeinschaftsmarke geschützt oder innerhalb des Verbandsgebietes als internationale Marke registriert werden.